Start Orte und Ortsfamilienbücher Oberamt Karlsruhe Knielingen (KA) evangelische Kirche

 

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die evangelische Kirche von Knielingen 

(c) 2012 Michael Niederle


heute ist sie das Wahrzeichen von Knielingen, das älteste Gebäude im Ort. Aber nicht nur das, ist sie doch auch das älteste noch existierende Gebäude, das auf Karlsruher Gemarkung steht.

 

ANNO DINI (domini) 1480 NC DURCH HEIN-

RICH RIESEN VO SULZBACH GELEGT

WORDE IS DISE BUW (Bau) DER ERST STEI

UFF DEN DOERSTAG (Donnerstag)

NACH DE SONTAG JUDICA

steht auf einer Inschrift, die auf drei Quadersteinen im Turm eingemeißelt ist. Nach dem julianischen Kalender (in Baden-Durlach bis 18.02.1700) ist das der 23.03.1480. Nach der heutigen (gregorianischen) Zeitrechnung ist das der

 

01. April 1480.

 

Leicht kann man statt 1480 die Zahl 1280 lesen. Der Steinmetz hatte die Ziffer 4 nicht als 4 sondern als "halbe 8" gemeißelt. Das war in der Steinmetz-Zunft zu dieser Zeit und in dieser Region durchaus üblich.

 

 

Einen weiteren Grundstein findet man auf der Südostseite des Chorraums. In ihn ist schlicht 25, FEB 1473 eingemeißelt.

Inschrift im Knilinger Kirchturm - Foto 2010

 

 

 

 

 

 

Inschrift am Westturm

der ev. Kirche Knielingen

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Grundstein am Chorraum

 

Gebaut wurde die Knielinger Kirche als Wehrkirche oder (wahrscheinlicher) als Kirchenburg.

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Mantelmauer an der 

Südostflanke der Kirche 

Eine Kirchenburg war von starken Verteidigungsanlagen, z.B. Mauern und Türmen, umgeben. Wehrkirchen dagegen hatten nur einfachere Vorrichtungen zur Verteidigung, z.B. Schießscharten, einfache Mauern und ähnliches.

 

Literatur dazu

Kirchenburgen (sowie Wehrkirchen und Pfleghöfe) in Baden Württemberg 1, Nördlicher Bereich. Darstellung des erhaltenen Bestandes in den Jahren 2004 - 2008 / Dieter-Robert Pietschmann - Bestand in der Universitätsbibliothek Heidelberg [Kennung 691000-2]

 

In beiden Fällen war Sinn und Zweck, die Bevölkerung des Dorfes kurzfristig zu schützen (oft nur einige Stunden), bis Verstärkung aus einer nahe gelegenen Garnison kam. Die Dörfer hatten meist nicht genug Geld um Verteidigungsanlagen - wie in vielen Städten üblich - rund um das ganze Dorf zu errichten. Sie waren aber ab dem 15. Jahrhundert immer mehr kriegerischen Handlungen ausgesetzt, denn die Taktik ging immer mehr dazu über, nicht die stark befestigten Städte anzugreifen, sondern den Feind zu schwächen, in dem man die nahen Dörfer angriff, die die Lebensmittel für die Städte lieferten. Verteidigt wurden Wehrkirchen oder Kirchenburgen in der Regel von leibeigenen Bauern. Im hinteren Teil des Kirchhofs ist bis heute eine etwa 4 Meter hohe Mantelmauer erhalten. Die Mauer - von der Ortsseite her gesehen -wurde 1858 um etwa die Hälfte reduziert, stellt aber heute das beste Gesamtbild aller vergleichbaren Anlagen in der Region dar (Robert Pietschmann, Sulzbach).

 

1254 beurkundet Markgraf Rudolf I. von Baden,  (*um 1230  †19.11.1288) "dass seine Mutter die Bürger und Bauern der Pfarrei Baden zusammen mit der Äbtissin von Lichtenthal gebeten habe, das Kloster zu dem Genuss von Wäldern, Weiden und andern gemeinschaftlichen Nutzungen zuzulassen, und dass dies durch einstimmigen Beschluss zugestanden worden sei, gegen eine genannte jährliche Abgabe an die St. Peterspfarrkirche in Baden". Interessant wird diese Urkunde dadurch, dass das zweite Siegel, das des Werner, Decan zu Knudelingen (Knielingen) ist. Daneben Volzo, Kirchherr von Baden, Rudolf, Vikar von daselbst und Ritter Reinhard, gen. Kimo von Baden. Neben diversen anderen unterzeichnet auch Mangold, der Schultheiß des Speyrer Kapitels.

 

Literatur dazu

Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg, 1050-1515 / Richard Fester - Hrsg. von der Badischen historischen Commission (1892) - [Präsenzbestand in der Landesbibliothek Karlsruhe Ok00530,1]

 
Ein Dekanatssitz ohne Pfarrkirche ist kaum vorstellbar. Man kann also davon ausgehen, dass in Knielingen bereits im Mittelalter eine Kirche stand. 1254 war das Bistum Speyer von Franziskanern beherrscht. Ab 1265 kamen die ersten Dominikaner, deren Orden sich in der Folgezeit im gesamten Bistum Speyer ausbreitete. Auch das nahe gelegene Benediktinerkloster Gottesaue gehörte bis zu seiner Auflösung zum Bistum Speyer.

 

Am 22.09.1464 bekommen wir in einer Urkunde einen weiteren Priester genannt. Wyprecht Rudde, Probst zu St. German in Speyer, bestätigt die von der Gemeinde Knielingen gestiftete St. Sebastianskaplanei in der dortigen Kirche und weist den Dekan zu Graben an, den von Markgraf Carl auf diese Pfründe präsentierten Priester Bernhard Junghanns in sein Amt einzuführen. [Bestand im Generallandesarchiv Karlsruhe Bestellsignatur 38 Nr. 2075]

 

Seit 1512 gehörte Knielingen zur Komturei Heimbach. Der Komtur von Heimbach (Johann von Hattstein) war gleichzeitig "Großprior in deutschen Landen" mit Sitz im badischen Heitersheim. Während des Bauernkriegs 1525 wurde die Komturei Heimbach zerstört und nicht wieder aufgebaut. Johann von Hattstein verkaufte am 13.03.1526 den großen und kleinen Zehnten, Nutzung, Gefälle und Gerechtigkeit in Stadt und Amt Durlach und Mühlburg samt den Kirchensätzen von Durlach, Grötzingen und Knielingen an Markgraf Philipp I von Baden. (Generallandesarchiv Karlsruhe Bestellsignatur 38 Nr.842)

 

Nach der Landesteilung Badens 1535 wurde Beiertheim bis zur Reformation eine Kirchenfiliale Knielingens.

 

Zum 01. Juni 1556 führte Markgraf Karl II. (*24.07.1529 in Pforzheim †23.03.1577 in Durlach) durch den Erlass einer neuen Kirchenordnung in der Markgrafschaft Baden die Reformation im Sinne Martin Luthers (*10.11.1483 in Eisleben †18.02.1546 Eisleben) ein. Karl II. selbst wurde der erste badische Landesbischoff und die Kirche zu Knielingen wurde evangelisch. Die Umsetzung der Reformation in Baden war die Aufgabe des badischen Kanzlers Dr. Martin Achtsynit (*1526 †1592) , der auch erster Kirchenrat wurde. Man übernahm weitgehend die von Johannes Brenz, dem protestantischen Theologen (*24.06.1499 in Weil der Stadt; †11.09.1570 in Stuttgart) konzipierte Kirchenordnung Württembergs.
 

Diesem vorausging der Augsburger Religionsfriede vom 25.09.1555 der das friedliche und dauerhafte Zusammenleben von Protestanten, Lutheranern und Katholiken regeln sollte. Man einigte sich nach langwierigen Verhandlungen auf die Kurzformel "Cuius regio, eius religio", "wessen Gebiet, dessen Religion". Der jeweilige Landesfürst bestimmte, welcher Religion seine Bürger angehören durften oder mussten. Wem es nicht passte, "durfte" das Land verlassen. Der Augsburger Religionsfriede brachte den Bürgern und Bauern aber auch die bis dahin längste Friedenszeit von 1555 bis zum Beginn des dreißigjährigen Krieges 1618.

 

Seit der Reformation 1556 bis etwa um das Jahr 1600 war Neureut eine Kirchenfiliale Knielingens. Das war die Zeit des Schultheißen Metz, von dem ein großer Epitaph bis heute in der Knielinger Kiche steht (siehe KN-Schultheißen)

 

"Zur Zeit als der Schuldheiß Mez zu Knielingen Landhauptmann auf der Hard war (†1581), verlangte der Markgraf die größte Glocke von der Gemeinde. Der Schuldheiß zeigte, daß "er sie nicht ermangeln könne, so er Schulz sein solle". Zu gleicher Zeit ließ er die Glocke anziehen; als nun alle Bewohner bewaffnet herbei liefen, war der Fürst darüber so erfreut, daß er dem Ort nicht nur die Glocke lies, sondern auch 1 Fuder Wein schenkte".

 

So können wir es in einer Fußnote auf Seite 142 des Buches von Ernst Julius Leichtlen nach lesen. 

 

Literatur dazu:

Baden's Kriegs-Verfassung, insbesondre Landwehr und Landsturm im 17ten Jahrhundert von Julius Leichtlen, Karlsruhe 1815 - [Präsenzbestand in der badischen Landesbibliothek O52 A 1046]

 

Wie es der evangelischen Kirche in Knielingen während des dreißigjährigen Krieges erging, wissen wir leider nicht. 1689 wurde sie im pfälzischen Erbfolgekrieg durch die Franzosen unter General Ezéchiel du Mas, comte de Mélac (*um 1630 in Sainte-Radegonde †10.05.1704 in Paris), der die bis dahin unbekannte und Menschen verachtende „Taktik“ der „verbrannten Erde“ des franz. Sonnenkönigs Ludwig XIV. umsetzte, zerstört. Nur die ältesten Teile, der Turm und der Chorraum blieben erhalten. Die Kirchenbücher brachten die Knielinger in das befestigte Durlach wo man sie für sicherer hielt. Doch man hatte sich getäuscht. Die Kirchenbücher verbrannten in Durlach vollständig und wurden später teilweise vom Pfarrer Johann Jacob Wechsler nachgetragen. Dieser war es auch, der Geld für eine Kirche in Mühlburg sammelte. Seit der Zerstörung der dortigen Schloßkapelle 1689 war Mühlburg eine Kirchenfiliale von Knielingen und die Mühlburger mussten zum Gottesdienst nach Knielingen laufen.

 

Von 1689 - 1703 mussten die Knielinger ihre Gottesdienste in der Zehntscheuer abhalten. 1699 wurde mit dem Wiederaufbau der ev. Kirche nach Plänen von Thomas Lefèbvre (*1636 in Brüssel) begonnen, der Hofbaumeister unter Markgraf Friedrich VII. Magnus von Baden (*23.09.1647 in Ueckermünde, †25.06.1709 in Durlach) war und in Venedig studiert hatte. Er kam direkt aus Philippsburg wo er zwei Jahre in französischer Festungshaft saß. 1703 wurde die wieder aufgebaute Kirche eingeweiht.

 

1858 erhielt die evangelische Kirche Knielingen ihr heutiges Gesicht. Sie war schlicht und einfach zu klein geworden und der Bevölkerungsentwicklung nicht mehr gewachsen. So wurde zwischen dem Chor und dem Westturm ein neues, breiteres Langhaus errichtet. Um den erhaltenen Turm zum Mittelpunkt der "neuen" Kirche zu machen, wurde das Langhaus nicht, wie früher beim Kirchenbau üblich, von West nach Ost gebaut, sondern mit einem Versatz von ca. 16°. Den Grundstein sucht man an der Außenmauer vergebens. Er befindet sich in der Kirche direkt unter der Kanzel. 1. Cor. 3,11 (Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus) und 13. August 1858 lesen wir da.

 

Die starke Mantelmauer wurde deshalb schon davor abgetragen. Bereits 1842 wurde der Friedhof von der Kirche in die heutige "Eggensteiner Straße" verlagert. Nur wenige Gräber blieben am Ort.

 

Schaut man sich die Umfriedung des neuen Friedhofs an, könnte man auf den Gedanken kommen, dass billiges Baumaterial aus der Mauer um die Knielinger Kirche mehr als willkommen war.

 

Die erste Beisetzung auf dem neuen Knielinger Friedhof fand am 15.02.1842 statt. Vier Jungen aus Knielingen waren auf dem Rhein in das Eis eingebrochen und ertrunken.

altSüdmauer des Friedhof in der Eggensteiner Str.

 

In der Wand der Friedhofskapelle ist ein Gedenkstein eingelassen.

 

altGedenktafel an der

Friedhofskapelle

HIER RUHEN 4 

ERTRUNKENE

KNABEN

MIT DENEN

WURDE DEN 15 

FEBRUAR 1842 

DER FRÜDHOF

EINGEWEIT

 

JOHANN J RAIH (Johann Jacob Rayh * 31.12.1831  † 13.02.1842)
CHRISTIAN ZENTGREB  (Christian Zentgrebb * 06.12.1830  † 13.02.1842)
JAKOB MAYER (Johann Jacob Maier * 17.10.1832  † 13.02.1842) 
GOTTLIEB MAYER (Gottlieb Maier * 24.01.1833  †  13.02.1842)

 

Am 03. Júni 1860 wurde die evangelische Kirche zu Trinitatis dann feierlich eingeweiht. Wahrscheinlich wurde bei dieser Gelegenheit auch die große Kastanie gepflanzt, die 2010 gefällt werden musste und an die sich bestimmt noch viele Knielinger erinnern. Auch die große Treppe, die vom Tiefgestade an der Alb zur Kirche hochführt, stammt aus der Zeit um 1858.

 

altVor dem Chorraum befindet sich ein Taufstein, der aus verschiedenen Sandsteinen hergestellt worden zu sein scheint. Auf der einen Seite ist die Jahreszahl 1860, dem Jahr der neuerlichen Einweihung, eingemeißelt. altAuf der anderen Seite finden wir die Zahl 1701, dem Jahr, als die Kirche nach der Zerstörung 1689 wieder neu aufgebaut wurde. Man schien einen symbolischen Bogen zwischen der alten Kirche von 1701 und der neuen von 1680 spannen zu wollen.

 

So paradox es auch klingen mag. Die Einweihung des Kirchenumbaus 1860 war auch der Beginn vom Ende der Vorherrschaft der evangelischen Landeskirche in Knielingen. 1860 wurde die Paulus-Gemeinde der evangelisch-methodistischen Kirche gegründet. Im Knielinger Familienbuch sind diverse Übertritte zu den "Methodisten" verzeichnet.

 

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Im deutsch-französischen Krieg 1870/1871 fiel ein Knielinger Bürger:

 

Christian Friedrich Kiefer

( *28.03.1847 Knielingen - †15.01.1871 Chagey (F))

 

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Ihm zu Ehren wurde links des Hauptportals ein Gedenkstein errichtet. Die Euphorie nach dem gewonnen Krieg gegen den Erzfeind Frankreich war groß. Großherzog Friedrich I. von Baden stiftete 1871 diverse Kriegerdenkmäler, so auch das, das rechts neben dem Hauptportal erstellt wurde.

 

Literatur dazu:

Aus den Kriegstagen 1870-71. Gedenkbuch für das badische Volk und seine Krieger. Im Auftrag der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe verf. von Goll, Heinrich Karlsruhe, 1871. - [Präsenzbestand in der badischen Landesbibliothek Standort O44A 92]
 

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Den 1.Weltkrieg (1914 -1918) scheint. die evangelische Kirche Knielingen unbeschadet überstanden zu haben. Ein frühes Foto von 1919 zeigt sie ohne erkennbare Schäden.

 

Die Kirche hatte zwei Glocken, die im 1. Weltkrieg eingeschmolzen wurden.1922 wurden sie ersetzt und um eine dritte ergänzt.

 

Diese mussten im 2.Weltkrieg 1942 wiederum abgeliefert werden und wurden erneut eingeschmolzen.

 

(evangelische Kirche Knielingen 1919 - leider ist die Qualität des Fotos für eine Vergrößerung zu schlecht)
 

 

Ohne größere Schäden überstand die Knielinger Kirche auch den zweiten Weltkrieg während es in Knielingen viele Zerstörungen und Tode gab. Fritz Kobe (*10.10.1877 in Nicklashausen an der Tauber; †11.02.1959) , Pfarrer in Knielingen bis 1949 und seit 1933 Dekan des Kirchenbezirks Karlsruhe Land hat ein "Tagebuch" geführt. Er schreibt:

 

"Am Karmittwoch erfolgt um 5 Uhr Mittags der Einschlag von vier Sprenggranaten, die offenbar der Kirche gelten. Die beiden ersten schlagen unmittelbar vor der Türe an der Westseite des Baues ein, reißen diese in Stücke und zertrümmern den steinernen Türrahmen, Sprengstücke fliegen in der Richtung der Flugbahn gegen die Südwestseite des Pfarrhauses wo fast alle Fenster in Stücke gehen."

 

Das bleiben die einzigen Schäden an der Kirche, die er beschreibt. Eindrucksvoll und ergreifend ist wie er den Wechsel zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Tod und Hilflosigkeit, Willkür und Widerstand beschreibt. Insgesamt fiel der wöchentliche Gottesdienst in der Zeit des zweiten Weltkrieges nur drei mal wegen Luftangriffen aus.

 

Leider ist dieses Buch, "die letzte Glocke von Knielingen" kaum noch irgendwo zu bekommen. Selbst die badische Landesbibliothek findet ihr Exemplar nicht mehr. Der urheberrechtliche Schutz läuft erst 2019 aus.
 

Literatur dazu:

Die letzte Glocke von Knielingen - Das Kriegserlebnis der Kirchengemeinde Karlsruhe-Knielingen im letzten Kirchenjahr des großen Krieges vom Advent 1944 bis zum Buß- und Bettag 1945 - zum Gedächtnis und Vermächtnis aufgezeichnet von Ihrem Pfarrer Fritz Kobe / Evangelischer Preßverband Karlsruhe - [Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt Signatur: D 50/702]
 

1956 wurde die Kirche innen und 1978 komplett von außen saniert. Bei der Innensanierung wurden alte Fresken freigelegt, die aus dem Jahr um 1703 stammen und bis dahin verborgen gewesen waren.