Start Orte und Ortsfamilienbücher Oberamt Karlsruhe Neureut (Teutschneureut)

 

Neureut (Teutschneureut)

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ist heute der nördlichste Stadtteil von Karlsruhe

Eingemeindung: 14.02.1975, Einwohner ca. 17.000

PLZ 76149

Neureut im deutschen Genwiki

Neureut in Wikipedia

 

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Datenerfassung abgeschlossen: vorl. Namensliste und vorl. Ortsliste

 

Teutschneureut, evangelische Gemeinde - Standesbücher online im Generallandesarchiv

1783, 1890 und 1800-1809 / 1810-1824 / 1825-1845 / 1846-1869

 

Neureut in "Die Kirchenbücher von Baden" (Hermann Franz)

 


 

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Geschichte von Neureut (c) 2012 Michael Niederle

 

Wie ein kleiner Dom erhebt sich die evangelische Kirche in der Mitte des Ortes. Aber der Eindruck täuscht. Ihre Geschichte ist erheblich jünger als die des Ortes selbst. Nach dreijähriger Bauzeit wurde sie am 17.06.1888 feierlich eingeweiht.

 

Neureut selbst wurde am 15.04.1260 in einem Vertrag zwischen Markgraf Rudolf I. von Baden (* um 1230

† 19.11.1288) und dem Abt Berthold als Vorsteher  des Kloster Gottesaue über "streitige Zinsen und Gülten

von Huben in dem Neugereuth innerhalb der Gemarkung von Eggenstein" erstmals erwähnt . erst

 

Ursprünglich hatte man angenommen, dass Neureut als "Novale" bereits innerhalb einer Bestätigungsurkunde vom 16.08.1110 von Kaiser Heinrich V. († 23.05.1125 in Utrecht) erwähnt wurde. Aber „novale ante ipsam cellam“ heißt soviel wie „Brachland direkt vor dem Kloster“. Damit kann wohl kaum Neureut gemeint sein.

 

Neureut wurde auf Eggensteiner Gemarkung gegründet. Aber Eggenstein wurde erst um das Jahr 1239 vom Speyrer Bischoff dem Kloster Gottesaue zugewiesen, was Papst Gregor IX. (* um 1167 in Anagni  † 22.08.1241 in Rom) am 17.10.1239 urkundlich bestätigte, Eine Ersterwähnung  von Neureut  im Jahr 1110 ist also auch schon aus diesem Grund nicht möglich. Die 850 Jahre Feier der Neureuter im Jahr 1960 kam damit 150 Jahre zu früh.

 

Wie auch immer, die Gottesauer Mönche rodeten mühsam das Land im Süden von Eggenstein. Der Name Neugereuth (neu gerodet) lässt sich davon ableiten. Die erste Urkunde über Neureut sagt uns aber auch noch etwas anderes: Markgraf Rudolf I. von Baden und Abt Berthold stritten sich um die Zinsen der „Huben“. Neureut wurde also als sogenanntes Hubendorf gegründet.

 

Ein Hubendorf war ein Dorf entlang einer langen Straße, an der im sich im rechten Winkel zur Straße Höfe, die sogenannten Huben (in Norddeutschland Hufen) befanden. Man fand es vorteilhaft, die Huben sehr lang und relativ schmal auszugestalten. Die Hofgebäude standen an der Dorfstraße relativ nahe beieinander. Dahinter besaß jede Bauernfamilie eine bis zu fast zweieinhalb Kilometer lange, aber nicht sehr breite Ackerfläche: Gemüse- und Obstgärten, Wiesen, Feldern und am Ende auch noch ein Stück Wald. Die Standardfläche einer Hufe war 900 Quadratfuß, das umgerechnet knapp 12 Hektar entspricht. Fiel die Fläche der zugewiesenen Streifen aus topografischen Gründen kleiner aus als die "volle Hufe", wurde das in Ausgleichsfeldern kompensiert´. Diese waren aber gegebenenfalls von der zusammenhängenden Hoffläche hinter dem Haus weiter entfernt.

 

Bei Neureut muss es sich um zwei solcher langen Straßen gehandelt haben, von der eine auf dem Hochufer und eine im Tiefgestade gelegen war. 1459 wird zwischen einem abgegangenen Unterneureut (Untermüritt ), das Kirchenfiliale von Eggenstein war, und einem existenten Oberneureut als Kirchenfiliale von Knielingen unterschieden.

 

Schon in den Geburtsjahren hatte Neureut einiges zu erdulden. Nachdem die deutschen Kurfürsten 1273 Graf Rudolf IV. von Habsburg zum König gewählt hatten, der sich fortan König Rudolf I. nannte, kam es 1274 zu Streitigkeiten zwischen König Rudolf I. und Markgraf Rudolf I. (* um 1230  † 19.11.1288) von Baden über die Höhe von Zollabgaben. In der Folge besetzten Habsburger Truppen Mühlburg und andere Gebiete. Neureut wurde von den Habsburger Truppen geplündert.

 

1424 führte die expansive Zollpolitik des Markgrafen Bernhard I (†1431) zum "Zug nach Mühlburg". Die Städte Basel, Freiburg und Straßburg fürchteten um Ihre Privilegien und zogen, unterstützt von Truppen aus der Pfalz und Schwaben, gegen Mühlburg. Die Belagerung Mühlburgs begann am 24.06.1424. Es gelang ihnen nicht, die Burg einzunehmen, aber die Zerstörungen im Umland waren groß. Wieder wurde Neureut geplündert.

 

Um 1460 begann man wohl den Bau der ersten Neureuter Kirche. Man muss sich wohl eher eine romanische Kapelle vorstellen, die, umgeben von einem Friedhof, mit diesem zusammen den Platz der heutigen evangelischen Kirche einnahm.

 

Bei der Landesteilung Badens in Baden-Durlach und Baden-Baden fiel Neureut an Baden-Durlach unter Markgraf Ernst (* 07.10.1482 in Pforzheim † 6.02.1553 in Sulzburg). Dessen Sohn, Markgraf Karl II. (* 24.07.1529 in Pforzheim † 23.03.1577 in Durlach) führte schließlich zum 01.06.1556 die Reformation im Sinne Martin Luthers (*10.11.1483 in Eisleben †18.02.1546 in Eisleben) ein. Neureut war nun evangelisch.

 

Der Einführung des Protestantismus folgte in Baden-Durlach und auch in Neureut die längste Friedenszeit bis dahin. Nach 63 Jahren sollte diese aber umso schrecklicher enden. Der längsten Friedenszeit folgte 1618 mit dem dreißigjährigen Krieg der längste Krieg der Geschichte.

 

1630 trat Schweden mit König Gustav Adolf (* 19.12.1594 in Stockholm †16.11.1632 bei Lützen) auf Seiten der Protestanten in den Krieg ein. Der Siegeszug der Schweden führte sie weit nach Süden und auch die Neureuter feierten die Schweden als Befreier. Das Blatt wendete sich mit der Schlacht von Nördlingen, in der die Schweden schwer geschlagen wurden. Es herrschte in der ganzen Gegend Anarchie. Marodierende Banden zogen plündernd durch das Land und Markgraf Friedrich Georg war im Exil in Basel. 1636 war es so schlimm, dass die Neureuter im befestigten Durlach Schutz suchten.

 

Der unselige Krieg fand erst 1648 mit dem "westfälischen Frieden" sein Ende. Weite Landstriche waren entvölkert und viele Orte hatten mehr als die Hälfte ihrer Einwohner verloren.

 

40 Jahre später sahen sich die Neureuter wiederum veranlasst, Ihr Dorf zu verlassen. Nachdem in der Kurpfalz Karl II. (* 31.03.1651 in Heidelberg † 16.05.1685 in Heidelberg) kinderlos verstorben war, erhob der französische Sonnenkönig Ludwig XIV (* 5. 09.1638 in Saint-Germain-en-Laye † 01.09.1715 in Versailles), für seinen Bruder, den Herzog von Orleans Erbansprüche auf auf Teile der Kurpfalz. Am 14. Februar 1689 erklärte das Deutsche Reich Frankreich den Krieg - der Beginn der "pfälzischen Erbfolgekriege". König Ludwig XIV.,der zuvor die Pfalz überfallen hatte, ordnete den Rückzug seiner Truppen an. Seinem General Ezéchiel du Mas, comte de Mélac (*um 1630 in Sainte-Radegonde †10.05.1704 in Paris) befahl er die bis dahin unbekannte und Menschen verachtende „Taktik der verbrannten Erde“. Nach Ende der Pfälzer Erbfolgekriege 1697 und dem Frieden von Rijswijk waren große Teile Baden-Durlachs zerstört. Für Neureut hatte das ganz besondere Konsequenzen.

Die Bevölkerung, im dreißigjährigen Krieg schon stark dezimiert, war erneut um 25% reduziert worden. Markgraf Friedrich VII. Magnus von Baden-Durlach (* 23.09.1647 in Ueckermünde † 25.06.1709 in Durlach) warb deshalb um die Ansiedlung von Hugenotten, Waldensern und Wallonen indem er Ihnen Privilegien wie Steuerfreiheit und kostenloses Baumaterial in Aussicht stellte.

 

Neureut musste seine südlichen Gebiete abgeben, damit die Glaubensflüchtlinge sich dort niederlassen konnten. Es waren überwiegend Hugenotten aus den Gebieten Dauphiné und Languedoc in Südfrankreich, die die Kolonie Welschneureut gründeten. Bei den Neureutern kam das gar nicht gut an. Die „Neuen“ sprachen französisch und wegen der zurück liegenden Kriegsereignisse hatte sich eine starke antifranzösische Stimmung breit gemacht. Fortan nannten die Neureuter ihren Ort demonstrativ „Teutschneureut“.

 

Dass Neureut bis 1731 eine Kirchenfiliale von Mühlburg war, wie es in der Neureuter Ortschronik beschrieben wird, darf wohl als Gerücht abgetan werden. Mühlburg war schließlich selbst bis 1721 Kirchenfiliale von Knielingen. Richtig ist, dass Neureut spätestens seit 1625 (wahrscheinlich seit 1600) eine eigene Kirchengemeinde war. Richtig ist auch, dass die Gemeinde Neureut 1675 - 1730 nachbarlich von Knielingen, Eggenstein und Mühlburg betreut wurde. Davor werden aber mindestens vier (Teutsch)neureuter Pfarrer namentlich erwähnt.

 

Nachdem 1854 das Teutschneureuter Rathaus gebaut worden war, musste 1884 die alte Kirche wie in vielen anderen Orten in Baden-Durlach einer neuen, größeren Kirche weichen. Bereits 1865 war mit dem Nordfriedhof ein neuer Friedhof errichtet und mit der Verlegung des alten, der die Kirche umgeben hatte, begonnen worden. Die neue Kirche nimmt heute die komplette Fläche der alten Kirche mit Friedhof ein, so dass keine Spuren der Vergangenheit überleben konnten.

 

Dem ersten Weltkrieg (1914-1918) fielen 104 Teutschneureuter zum Opfer. Um dem immer größer werdenden Wohnungsmangel zu begegnen, gründete man 1925 eine Siedlungsgesellschaft, die von 1929 - 1935 den heutigen Ortsteil „Kirchfeldsiedlung“ errichtete. Längst hatte sich Teutschneureut von einem Bauerndorf zu einem Arbeiterdorf entwickelt, in dem Landwirtschaft fast nur noch Nebenerwerb war.

 

1935 konnten sich die beiden Neureuter Gemeinden nicht länger wehren: Am 10.09.1935 wurde auf Bestreben der NSDAP Kreisleitung eine Vereinbarung beider Gemeinden beschlossen, nach der die Gemeinden zusammen geschlossen und die Gemeindeverwaltung in das Teutschneureuter Rathaus verlegt werden sollte. Die neue Gemeinde Neureut (Baden) verfügte über über eine Gemarkungsfläche von rund 1.900 Hektar und hatte 4.400 Einwohner.

 

Bürgermeister Hespelt von Teutschneureut trat darauf hin von seinem Amt zurück. Der bisherige Welschneureuter Bürgermeister Buchleither wurde erster Bürgermeister der neuen Gemeinde Neureut (Baden). Reichsstatthalter Robert Wagner vollzog den formalen Zusammenschluss am 01.11.1935.

 

Nach Ende des zweiten Weltkrieges (1939 - 1945) wurde die Kirchfeldsiedlung ab 1949 erweitert um Heimatvertriebenen aus Böhmen, Mähren und dem Sudetenland aufzunehmen. Rund 3000 Flücht­linge aus den ehemaligen Ostgebieten fanden in der Kirch­feld­sied­lung eine neue Heimat.

 

1959 wurde Neureut erstmals Garni­sons­ge­meinde, nachdem die amerikanische Kaserne gebaut und 1960 die General-Fahnert-Kaserne der Bundeswehr errichtet wurde,

 

1970 war Neureut mit ca. 14.000 Einwohnern die größte Landgemeinde im Land Baden-Württemberg. 1975 gab es erneut heftigen und wiederum vergeblichen Wiederstand der Neureuter Bevölkerung, diesmal gegen die Eingemeindung zu Karlsruhe.

Bereits am 18.03.1973 kam es zu einer Bürgeranhörung, bei der 79,9 Prozent der 6.547 Wahlberechtigten teilnahmen. 96,9 Prozent antworteten mit nein und 2,8 Prozent mit ja auf die Frage, ob sie für die Eingemeindung Neureuts nach Karlsruhe seien. Die gesetzliche Anhörung fand am 20.01.1974 statt: bei einer Beteiligung von 81,2% waren 96,1% gegen die Eingemeindung. Am 14. Februar 1975 wurde der Urteilsspruch des Staatsgerichtshofs gesprochen, dass innerhalb von acht Wochen eine Vereinbarung ausgehandelt werden musste. Am 10. April 1975 unterzeichneten Hermann Meinzer (letzter Bürgermeister von Neureut) und Otto Dullenkopf (Oberbürgermeister von Karlsruhe) trotz heftigen Widerstandes den Eingemeindungsvertrag.

 

 

Weiterführende Literatur

Geschichte von Neureut / Hermann Ehmer. Mit Beitr. von Paul Waibel ... Hrsg. von d. Stadt Karlsruhe, Ortsverwaltung Neureut [Präsenzbestand in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe Oj04910]