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Badische Kirchengeschichte von den Anfängen bis zur unierten Kirche

(c) 2012 Michael Niederle

 

Im Frühjahr 1501 begann Martin Luther (* 10.11.1483 in Eisleben † 18.02.1546 in Eisleben) sein Studium an der Artistenfakultät in Erlangen. Die Artistenfakultät war die „unterste“  von vier Fakultäten, die sich im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit entwickelt hatten. Gelehrt wurden die „Sieben Freien Künste“, Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Sein Studium schloss er im Januar 1505 mit dem Examen ab.

 

Auf Wunsch seines Vaters setzte er mit Beginn des Sommersemesters sein Studium an der Juristenfakultät fort. Doch nicht lange. Auf dem Rückweg von seinen Eltern nach Erfurt soll ihn am 02.07.1505 bei Stotternheim ein schweres Gewitter überrascht haben. Er soll in Todesangst zur Mutter Marias, der hl. Anna gerufen haben: „hilf Du heilige Anna und ich will ein Mönch werden“.

 

Ein Gelübde, dass die Kirchengeschichte nicht nur in Baden tiefgreifend verändern sollte. Am 17.07.1505 trat er in das Erfurter Augustinerkloster ein. Die Augustiner waren nach den Franziskanern, Dominikanern und Karmeliten der vierte große Bettelorden.

 

Überhaupt bestimmten Klöster seit der Christianisierung nicht nur das geistige Leben. Im Jahre 496 hatten die Franken unter König Chlodwig die Allemannen besiegt und beherrschten die Gegend am Oberrhein. 498 ließ Chlodwig sich taufen und die Franken wurden Christen. Um die Alemannen zu missionieren, gründeten sie im 6. Jahrhundert das Bistum Konstanz, das vom St. Gotthard bis zum mittleren Neckar reichte. In der Folge entstanden die ersten Benediktinerklöster am Oberrhein: Säckingen, Gengenbach, Ettenheimmünster und Schuttern. 724 gründeten die  Benediktiner das Kloster Reichenau und 763 das Kloster Lorsch, wo viele Orte Baden-Durlachs ihre erste urkundliche Erwähnung finden.

 

Von Anfang an waren die Klöster nicht nur ein Ort geistlichen Lebens, sondern auch gleichzeitig Zentrum von Landwirtschaft und Handwerkskunst. An den Klöstern wurde geforscht und Wissen gesammelt.  Kulturelle  Arbeiten fanden fast ausschließlich in den Klöstern statt, wo Mönche Abschriften alter Bücher erstelltem und Kunstwerke wie z.B. die Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches anfertigten. Grundlegende Kulturtechniken wie „Lesen und Schreiben“ waren lange Zeit praktisch nur in den Klosterschulen zu erlernen.

 

Umsichtige Landesherren erkannten die wirtschaftliche und die kulturelle Bedeutung, gründeten Klöster in unterentwickelten Gebieten und statteten diese mit umfangreichen Ländereien aus. Ein typischer Kolonisationsorden waren die Zisterzienser. Sie rodeten viele und umfangreiche Wälder und bereiteten deren Besiedlung vor.

 

Die Geschichte der Klöster beinhaltet einen steten Wechsel zwischen „Verweltlichung“ und einer Rückbesinnung auf die  religiösen Ursprünge.  Der Hauptgrund für die immer drohende Gefahr von Missständen in den Klöstern lag darin begründet, dass der Eintritt in ein Kloster nicht immer (nur) aus religiösen Gründen erfolgte. Oft spielten  auch weltliche Motive wie politischer Machtgewinn, wirtschaftliche und soziale Absicherung sowie Versorgung  (z.B. unehelicher Kinder)  eine große Rolle.  Die mangelnde Identifikation Einzelner oder ganzer Gruppen von Gemeinschaftsmitgliedern mit den religiösen Zielen des Klosterlebens konnte allmählich zum Verfall der Sitten im gesamten Kloster führen.

 

Im Laufe der Jahrhunderte  gab es immer wieder Reformbewegungen gegen eine zu starke Verweltlichung  der Klöster. Die Benediktinerabtei in Clumy (Burgund) z.B. hatte im 11. Jahrhundert durch Spenden, Stiftungen und Erbschaften ein riesiges Vermögen erworben, das sie mit dem Bau der damals größten Kirche, die sogar St. Peter in Rom übertraf, zur Schau stellte. Stundenlange Gottesdienste und feierliche Prozessionen waren an der Tagesordnung. Durch Prachtentfaltung und Reichtum waren die ursprüngliche Einfachheit der monastischen Lebensweise und das Ideal, von der eigenen Hände Arbeit zu leben, abhanden gekommen.

 

1098 gründete der Benediktinerabt Robert von Molesme (* um 1028 in der Champagne †17.04.1111 in Molesme) das Kloster Cîteaux. Er nannte es „Novum Monasterium“, neues Kloster. Er wollte eine besonders strenge Reform der Benediktsregel. In Cîteaux wurde Augenmerk auf Einfachheit gelegt, ganz bewusst gegen die Prachtentfaltung in cluniazensischen Klöstern gerichtet. Es gab keine kostbare Ausstattung, kein wertvolles Kirchengerät und keinen Schmuck. Nichts sollte die Mönche von ihrer Liturgie ablenken. Aus diesem Kloster entstand 1219 mit dem Zisterzienserorden die erste zentral organisierte christliche Gemeinschaft der Geschichte. Jede Abtei des Ordens war zwar grundsätzlich selbständig, jedoch auf die einheitlichen Statuten des Zisterzienserordens verpflichtet. Jede Abtei blieb gegenüber ihrem Mutterkloster verantwortlich. Zisterzienser legten von Anbeginn Wert auf einheitliche Bauten, Bräuche und Tagesabläufe in allen ihren Klöstern. Ihr Leitmotto wurde der aus der „Carta Caritatis“ zitierte Satz: „Una caritate, una regula similibusque vivamus moribus“ – „Wir wollen in einer Liebe, unter einer Regel und nach einheitlichen Bräuchen leben“.

 

Im späten Mittelalter verloren die Klöster ihre herausragende Rolle. Die aufstrebenden Städte mit Handwerkern, Schulen und Universitäten übernahmen immer mehr deren Rolle als Zentrum von Kultur und Entwicklung . Hospital- und Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner, Karmeliten, Augustiner, Antoniter) kamen auf. Es entstand der neue Typ des Stadtklosters.  In ihm entwickelte sich eine neue,  andere Art des Ordenslebens. Die Klöster lagen nicht mehr abgeschieden in schwer zugänglichen Gebieten, sondern mitten in den Städten. Praktisch alle größeren Stadtgründungen erhielten mindestens ein Kloster innerhalb der Stadtmauern. Die Ordensbrüder waren auch nicht mehr wie Mönche an das Kloster gebunden, sondern konnten innerhalb ihres Ordens versetzt werden oder sie begaben sich auf Wanderschaft. Sie führten kein rein besinnliches  Leben mehr, sondern wirkten im kirchlichen Dienst unter den Menschen und widmeten sich vor allem der Seelsorge, der Predigt und anderen kirchlichen Aufgaben.

 

In ein solches Kloster trat also Martin Luther am 17.07.1505 ein. Am 04.04.1507 wurde er zum Priester geweiht. Johann von Staupitz (* um 1465 in Motterwitz † 28.12.1524 in Salzburg),der Generalvikar, empfahl ihn für ein Theologiestudium und versetzte ihn nach Wittenberg. Im Oktober 1512 promovierte Luther zum „Doctor theologiae“ . Er übernahm den Lehrstuhl der „Lectura in Biblia“ an der Wittenberger Universität behielt ihn bis zu seinem Lebensende.

 

Wann Luther das Prinzip der Gerechtigkeit Gottes sola gratia (allein aus Gnade) das erste Mal formulierte, ist umstritten. Luther beschrieb diesen Wendepunkt selbst als unerwartete Erleuchtung, die ihm in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters widerfahren sei. In der “Römerbrief-Vorlesung“ 1515 war Luthers neues Verständnis der Rechtfertigung „allein aus Gnade Gottes“ bereits ausformuliert.

 

Jahrhunderte lang war es üblich, dass die Menschen versuchten, den Erlass ihrer Sünden zu erreichen, indem sie Besitztümer an die Klöster übertrugen oder vererbten. Zudem sollten Ablassbriefe den Gläubigen einen, dem Geldbetrag entsprechenden, zeitlichen Erlass ihrer  Sündenstrafen im Fegefeuer für sie oder für ihre bereits gestorbene Angehörige bescheinigen. Ein Jahr vor dem berühmten Thesenanschlag 1517 in Wittenberg predigte Luther erstmals öffentlich gegen die Ablasspraxis. In seinen 95 Thesen  protestierte Luther weniger gegen die Finanzpraktiken der Katholischen Kirche als gegen die darin zum Ausdruck kommende verkehrte Bußgesinnung. Der Ablasshandel war für ihn  Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu fordern. Für die breitere Bevölkerung verfasste Luther 1518 den in einfacher, verständlicher Weise abgefassten “Sermon von dem Ablass und Gnade“.

 

Als Luther am 03.01.1521 exkommuniziert wurde, was er bereits im ganzen Land bekannt. Der Buchdruck und die allgemeine soziale Unzufriedenheit verhalfen ihm zu einem außergewöhnlichen öffentlichen Erfolg. Bis zum Ende des Jahre 1521 waren bereits 81 Einzelschriften und Schriftsammlungen von ihm erschienen, viele auch  in andere Sprachen übersetzt.

 

Im Herbst 1521 übersetzte Luther auf Anraten von Philipp Melanchthon (* 16.02.1497 in Bretten † 19.04.1560 in Wittenberg), der eigentlich  Philipp Schwartzerdt hieß, das neue Testament. 1523 erschien auch der erste übersetzte Teil des alten Testamentes. Den Rest übersetzte er 1534. Damit machte Luther biblische Inhalte auch dem einfachen Volk zugänglich. Zwei Drittel der Bürger, die lesen konnten, besaßen zu dieser Zeit seine „Lutherbibel“.

 

In Wittenberg predigte nun Andreas Rudolff Bodenstein von Karlstadt (* um 1482 in Karlstadt † 24.12.1541 in Basel) gegen die Klöster, Opfergebete, Bilder in Kirchen und für das Abendmahl mit dem Laienkelch. 1522 setzte der Stadtrat die Neuerungen um und beschloss auch Maßnahmen gegen Armut und Unzucht, wie sie Luther in seinen Schriften von 1520 vorgeschlagen hatte.

 

Auf dem zweiten Reichstag zu Speyer 1529 setzten die katholischen Reichsstände  unter Kaiser Karl V.  (* 24.02.1500 in Gent † 21.09.1558 in Extremadura) die Aufhebung der bisherigen teilweisen Duldung der Evangelischen durchs.  Die evangelischen Stände (sieben Fürstentümer und 16 Städte aus Norddeutschland) legten darauf hin die“ Protestation zu Speyer“ ein. Seitdem nennt man die evangelischen Christen auch Protestanten. Die protestantischen Fürsten wollten die Reformation nicht als beendet ansehen und schlossen sich zu einem Verteidigungsbündnis zusammen. Sie nannten ihren Bund nach der Ortschaft Schmalkalden in Thüringen „Schmakaldischer Bund“.

Beim folgenden Reichstag zu Augsburg 1530 wollten Luthers Anhänger den protestantischen Glauben reichsrechtlich anerkennen lassen. Dazu verfasste Melanchthon das protestantische Glaubensbekenntnis, die „Confessio Augustana“, die Kaiser Karl auf dem Augsburger Reichstag überreicht und schließlich von ihm geduldet wurde.

 

Auch in anderen Ländern brodelte es schon lange. In der Schweiz predigte der Priester Ulrich Zwingli  (* 01.01.1484 in Wildhaus † 11.10.1531 in Kappel am Albis) “wider Wallfahrten und andre Missbräuche“ und gegen  den seit 1518 in der Schweiz wirkenden päpstlichen Ablassprediger Bernhardin Sanson. 1522 veröffentlichte er seine erste reformatorische Schrift gegen das “Fasten der römischen Kirche: Von Erkiesen und Freiheit der Speisen“. Dieses Werk schrieb er aus Anlass des Fastenbrechens bei Christoph Froschauer (* um 1490 †01.04.1564 in Zürich). Zwingli selbst war beim sog. „Wurstessen“ zwar anwesend, aber nicht direkt daran beteiligt. Mit der Schrift rechtfertigte er das Handeln, da das Fastenhalten gegen den christlichen Glauben verstoße. An den Bischof von Konstanz sandte er ein nachdrückliches Bittschreiben, in welchem er und zehn seiner Genossen erklärten, dass sie „mit Gott fest entschlossen seien, das Evangelium ohne Unterlass zu predigen“ und in dem sie um Aufhebung des Zölibats nachsuchten.

 

1525 gab Zwingli sein Glaubensbekenntnis „Von der wahren und falschen Religion“ heraus, das er dem französischen König Franz I. (* 12.09.1494 auf der Burg Cognac †31.03.1547 in Rambouillet) schickte. Mit Martin Luther und den anderen deutschen Reformatoren war Zwingli  in vielen Punkten einig. Jedoch war  Zwingli  in liturgischer Hinsicht radikaler und verwarf die „leibliche Gegenwart“ Christi im Abendmahl.

 

Ab 1525 waren die Reformation und die Reform des Gottesdienstes in Zürich abgeschlossen. Es wurde das Abendmahl als Gedächtnis gefeiert. Bilder, Messen und Zölibat waren abgeschafft, und es gab eine geregelte Armenfürsorge. Diese  finanzierte sich aus Geldern, die durch die Säkularisation von Klöstern und geistlichen Stiftungen im Herrschaftsbereich der Stadt Zürich frei wurden. Ebenfalls 1525 wurde das bisherige Chorherrenstift Grossmünster in die Propstei  Grossmünster umgewandelt, um die Ausbildung weiterer reformierter Theologen sicherzustellen.

 

In enger Zusammenarbeit mit Leo Jud  (* 1482 in Guémar /Elsass † 19.06.1542 in Zürich) übersetzte Zwingli zwischen 1524 und 1529 die Bibel neu in die Eidgenössische Kanzleisprache. Diese Übersetzung ist heute als die „Zürcher Bibel“ bekannt. Demnach schlossen die Zürcher Theologen die komplette Neuübersetzung aus dem griechischen und hebräischen fünf Jahre vor Luthers Bibelübersetzung ab. Die Zürcher Bibel ist somit die älteste protestantische Übersetzung der gesamten Bibel. Das Werk wurde zwischen 1524 und 1529 von Christoph Froschauer (* um 1490 †1.04.1564 in Zürich) gedruckt. 1531 druckte er eine reich illustrierte und aufwendig gestaltete Gesamtausgabe.  Diese Version war für lange Zeit die textlich und gestalterisch bedeutendste Ausgabe der Zürcher Bibel.

 

Zwinglis Reformation ging von anderen Voraussetzungen aus als die von Martin Luther. Sie  hatte bei vielen Gemeinsamkeiten auch deutliche Unterschiede zu dieser. Während Luther den Ablasshandel und andere Missstände in der Kirche, die seinem Verständnis der Bibel widersprachen, entfernen wollte, akzeptierte Zwingli in der Kirche nur das, was ausdrücklich in der Bibel stand.

 

Deshalb sind die reformierten Kirchen, noch ausgeprägter als die lutherischen, „Kirchen des Wortes“; kein Kirchenschmuck außer  Bibelsprüchen, sogar auf Musik im Gottesdienst wurde zeitweise verzichtet.

 

In Frankreich wandte sich Johannes Calvin (* 10.07.1509 in Noyon, Picardie † 27.05.1564 in Genf), der Reformation zu. Als Reformator der 2. Generation, der nie selbst Priester war,  war er sowohl von Luther als auch von Zwingli beeinflusst. Am 18. Oktober 1534 wurden überall in Paris, auch am Schlafzimmer des Königs, der gerade in Amboise weilte, antikatholische und zugleich Luther kritische Plakate entdeckt. Der König war voll Zorn und ordnete die Verfolgung der „Evangelischen“ an. 1535 musste Calvin in das evangelische Basel fliehen.

 

Für Calvin war die Kirche die „Mutter“ der Glaubenden. Denn in der Kirche begegnen ihnen die Predigt des Wortes Gottes und die Sakramente. Calvin war es wichtig, die Kirche von den weltlichen Obrigkeiten unabhängig zu machen. In seiner Kirchenordnung von 1541 führte er nach dem Vorbild der urchristlichen Gemeinden das Amt der Ältesten ein. Diese  Ältesten waren zugleich Mitglieder des weltlichen Rates.  Zusammen mit den Pfarrern, die für den Gottesdienst zuständig waren, bildeten sie  eine selbständige Kirchenleitung. Weitere Ämter hatten die Lehrer inne, die für den kirchlichen Unterricht sorgten, und die Diakone, die die Armenpflege ausübten.

 

Vom 1. bis 4. 10.1529 fand auf Einladung des Landgrafen Philipps des Großmütigen auf dem Marburger Schloss das Das „Marburger Religionsgespräch“ statt. Da auf dem Reichstag zu Speyer 1529 erneut das Wormser Edikt bestätigt worden war, versuchte Philipp von Hessen die Sache der Reformation zu stärken, indem er beide  Zweige der Reformation für eine gemeinsame Linie  gegen die Katholiken und die Habsburger gewinnen wollte. Trotz kleinerer Annäherungen gelang es aber nicht, die schon zuvor unversöhnlichen Positionen aufeinander zu zu bewegen. Als das Gespräch gescheitert war, forderte Landgraf Philipp, dass doch wenigstens eine Bestandsaufnahme über die Konsenspunkte aufgestellt werden solle. Ergebnis waren die „Marburger Artikel“, die Luther auf Grundlage seiner kurz vorher erstellten Schwabacher Artikel ausgearbeitet hatte und durch Zwingli ergänzt wurden. Sie stellten einen Konsens zwischen den beiden Richtungen in 14 Punkten auf. Darüber hinauswurde die Ablehnung der „altgläubigen“ Kirche festgestellt.

 

Der 15. Artikel beschäftigte sich mit dem Abendmahl. Die unterschiedliche Auffassungen vom Wesen des Abendmahls blieben unversöhnlich bestehen. Für Zwingli war das Abendmahl eine Bekenntnishandlung der Gemeinde, für Luther war Christus beim Abendmahl real gegenwärtig. Damit ging der Abendmahlsstreit weiter. Beide Parteien sahen keine Möglichkeit, sich zu einigen.

 

Das Religionsgespräch gilt als der Zeitpunkt, seit dem die lutherische und die schweizerische (reformierte) Reformation endgültig getrennt sind.

 

Während die lutherische Reformation weitgehend auf Deutschland beschränkt blieb, breiteten sich die „Reformierten“ in der ganzen Welt aus.

 

Den gebietsmäßig größten Zuwachs erhielt die evangelische Bewegung durch die Reformation Württembergs. Herzog Ulrich von Württemberg (*08.02.1487 in Reichenweier/ Elsass †06.11.1550 in Tübingen) lebte seit 1519 in seiner Grafschaft Mömpelgard. Er war wegen umstrittener Übergriffe auf nichtwürttembergische Besitzungen aus seinem Herzogtum vertrieben worden und kam in Basel mit der Reformation in Berührung. Im Mai 1534 gelang ihm durch die Hilfe anderer evangelisch gewordener Fürsten die Rückeroberung seines Landes. Entgegen den Absprachen mit dem katholischen Königs- und Kaiserhaus machte er sich unverzüglich an die Einführung der Reformation. Eine Kirchenordnung, die den Predigtgottesdienst vorsah und den Katechismus des Reformator und Theologen Johannes Brenz (* 24. 06.1499 in Weil der Stadt † 11.09.1570 in Stuttgart)  übernahm, sowie die Errichtung einer Schule für den theologischen Nachwuchs, ergänzten das reformatorische Handeln Herzog Ulrichs von Württemberg.

 

1546 besiegte das kaiserliche Heer unter Karl V. im Schmalkaldischen Krieg die evangelischen Fürsten und Städte. 1548 ließ der Kaiser auf dem Augsburger Reichstag das sogenannte "Interim" erarbeiten, das eine Zwischenlösung in der Glaubensfrage anstrebte. Karl V. verlangte die Durchsetzung der Reichstagsbeschlüsse.

Reichsunmittelbare Gebiete, wie die Landvogtei Ortenau, wurden rekatholisiert. Wo katholisch gebliebene Fürsten  die Nachfolge eines evangelischen antraten, mussten die Untertanen wieder den alten Glauben annehmen. Auch einige Klöster wurden vorübergehend wieder eingerichtet.


Ferdinand I. (* 10.03.1503 in Alcalá de Henares bei Madrid † 25.07.1564 in Wien), der nach der Abdankung seines Bruders Kaiser Karl V. dessen Platz eingenommen hatte, realisierte, dass sich der Protestantismus nicht auf  Dauer militärisch aufhalten ließ. Er leitete Verhandlungen mit den Fürsten beider Konfessionen ein. Der Vorschlag von Moritz von Sachsen (* 21.03.1521 in Freiberg  † 11.07.1553 bei Sievershausen), einen politischen Frieden zu schließen, der alle religiösen Differenzen ausdrücklich ausklammern sollte, führte schließlich zum Reichstag in Augsburg, der am 05.02.1555 eröffnet wurde. Die weit verbreitete Meinung, dass für eine umfassende Friedensregelung eine Wiedervereinigung der Konfessionen Voraussetzung sei, wurde allmählich von der Einsicht abgelöst, dass eine politische Lösung wichtiger sei als die Beseitigung theologischer Differenzen. Dennoch drohten unüberbrückbare theologische, rechtliche und politische Gegensätze mehrfach die Verhandlungen scheitern zu lassen.

 

Schließlich kam es zum Augsburger  Religionsfrieden, der die Koexistenz beider Konfessionen garantierte. Dabei wurden die bestehenden religiösen Differenzen nur juristisch, nicht jedoch theologisch geregelt. Als Bezugsrahmen dafür galt die seit dem Wormser Reformreichstag von 1495 bestehenden Landfriedensordnung, in die nun die Protestanten mit aufgenommen wurden. Lutherischen und katholischen Reichsständen wurde damit ihr jeweiliges Kirchenwesen garantiert. Beide Konfessionen standen zukünftig unter reichsrechtlichem Schutz. Andere Glaubensrichtungen wie die Täufer oder die Reformierten (Anhänger Calvins oder Zwinglis) waren ausdrücklich ausgenommen.

 

Kernformel des Augsburger Religionsfrieden war „Cuius regio, eius religio“ (wessen Gebiet, dessen Religion). Eng verbunden damit war das „Ius emigrandi“ in § 24 des Augsburger Religionsfriedens. Untertanen, die nicht der Konfession des Landesherrn folgen wollten, konnten in Begleitung ihrer Familien und unter Mitnahme ihres Eigentums das Land verlassen. Das war aber blanke Theorie, denn auswandern konnte man erst, wenn alle herrschaftlichen Verbindlichkeiten abgelöst waren. Dazu gehörte auch der Freikauf aus der Leibeigenschaft, was sich kaum jemand leisten konnte.

 

Nach dem Augsburger Religionsfrieden vom 25.09.1555 setzte sich die Reformation in breitem Rahmen durch. Nach früheren Anfängen und einzelnen reformatorischen Ansätzen bekannte sich nun auch die Markgrafschaft Baden-Durlach mit den Herrschaften Hachberg, Rötteln und Sausenberg 1556 zum lutherischen Bekenntnis und führte die württembergische Kirchenordnung ein. Auch die Markgrafschaft Baden-Baden ging im gleichen Jahr zum Luthertum über, was allerdings nur von kurzer Dauer war.

 

Kirchenordnungen waren damals mehr, als man heute vermuten möchte.  Sie wurden vom Landesherrn verfügt und waren für das ganze Land verbindlich. Sie hatten den  Rang einer Verfassung und enthielten neben  kirchlichen Regelungen ebenso  sozialrechtliche,  personenstandrechtliche, verwaltungsrechtliche und weitere Ordnungen  - schlicht alles Notwendige für eine moderne Staatsordnung. Zur Kirchenordnung gehörte auch die Ordnung des Schulwesens. Es war bis dato eine Privatangelegenheit der Eltern ob ein  Kind die Schule besuchte oder nicht. Die Reformation entwickelt hier eine neue Sichtweise. Bildung wurde jetzt als eine mit Wort und Gebot Gottes begründete Pflicht neu definiert.  Mit der Reformation war Bildung  zwingende Aufgabe  von Kirche und Staat. Luther hatte die diesbezügliche geistlich-politische Forderung bereits 1524 in dem "Sendschreiben an die Ratsherren, dass sie christliche Schulen aufrichten", formuliert. Dem neuen reformatorischen Verständnis nach hatte die Leitung des Gemeinwesens, der Fürst oder Landesherr, für den Bestand und die Entwicklung der Schulen zu sorgen. Die Erfüllung dieser Pflicht, die gleichzeitig  Qualifikation und angemessene Bezahlung der Lehrer ein schließt, galt als göttliches Gebot.

 

In der Kurpfalz  siedelten sich 1562 erste Glaubensflüchtlinge  aus dem heutigen Belgien, sogenannte „Wallonen“ an. Es folgte ein eifriger Religionswechsel. 1563 führte Kurfürst Friedrich III. (*14.02.1515 in Simmern † 26.10.1576 in Heidelberg) den Calvanismus ein. Viele Lutheraner flohen Richtung Baden-Durlach. Kurfürst Ludwig VI. (*04.07. 1539 in Simmern † 22.10.1583 in Heidelberg) führte 1576 wieder das Luthertum ein, ehe Pfalzgraf Johann Casimir (* 07.03.1543 in Simmern † 16.01.1592 in Heidelberg), den Calvinismus wieder herstellte.

 

Der Markgrafschaft Baden-Durlach blieb das weitgehend erspart. Ernst-Friedrich (*17.10.1560 in Durlach † 14.04.1604 in Remchingen)  wurde 1584 Markgraf. Er  weigerte sich bei seiner Amtsübernahme, wie auch sein Bruder Jakob,  die Konkordienformel (das lutherische Glaubensbekenntnis)  zu unterschreiben. Ernst Friedrich  tendierte bereits früher zur reformierten Kirche. 1599 trat er zum reformierten Glaubensbekenntnis über und ließ auf Schloss Staffort ein neues Glaubensbekenntnis , das sog. Stafforter Buch drucken. Der Markgraf versuchte durch die Besetzung von Pfarrstellen mit Calvinisten und die Abberufung strenger Lutheraner das reformierte Glaubensbekenntnis in der Bevölkerung zu verbreiten. Davon waren die Baden-Durlacher aber gar nicht begeistert. Insbesondere aus der Stadt Pforzheim kam massiver Widerstand gegen die Abberufung lutherischer Pfarrer auf.  Am 11.09.1601 wählten die Pforzheimer einen 13-köpfigen Ausschuss. Dieser schrieb an Ernst Friedrich, dass man lieber sterben würde, als sich eine Religionsänderung gefallen zu lassen. Die Spannungen waren so groß, dass am 17. September auf ein  Gerücht hin,  der Markgraf wolle militärisch  gegen Pforzheim vorgehen, die Bürger von Pforzheim ihrerseits die Waffen ergriffen und Anlagen zur Verteidigung errichteten. Für Ernst Friedrich wurde damit aus einem Religionsdisput ein politischer Aufstand. Er  ließ sich aber durch seine Räte von einer gewaltsamen Lösung des Konflikts abbringen, vielleicht auch deshalb, weil  sein streng lutherischer Bruder Georg Friedrich den Pforzheimern seine Unterstützung vor dem Reichskammergericht zugesagt hatte. Am 14.04.1604 zog Ernst Friedrich dann doch mit einer Truppe von Söldnern gegen Pforzheim. Bevor er Pforzheim erreichte, starb er an einem Schlaganfall. So blieb Baden-Durlach lutherisch. Trotz seines Glaubenswechsels wurde Ernst-Friedrich in der Pforzheimer Familiengruft in der lutherischen Schloss- und Stiftskirche St. Michael bestattet.

 

Seit der Einführung der Reformation 1556 hatte Baden-Durlach seine bis dahin längste Friedenszeit erlebt. Das änderte sich 1618, als mit dem dreißigjährigen Krieg  ein neuer Glaubenskrieg durch das Land zog und weite Teile verwüstete. Er wurde der  längste Krieg der deutschen Geschichte und wurde durch das Eingreifen anderer Staaten  zu einem europäischen Krieg. Wieder standen sich  katholische und protestantische Fürsten als Feinde gegenüber, die Katholiken (Kaiser, Bayern) in der "Liga" vereint, die Protestanten (Kurpfalz, Baden-Durlach, Württemberg) in der "Union". Der dreißigjährige  Krieg begann 1618 mit dem Prager Fenstersturz.

 

1619 wurde in  Böhmen der katholische König aus dem Haus Habsburg abgesetzt. Man bot die Krone dem protestantischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz (* 26.08.1596 in Neumarkt † 29.11.1632 in Mainz) an. Obwohl ihm die meisten seiner Räte und mehrere befreundete Fürsten von der Annahme abrieten, nahm Friedrich die böhmische Krone an. Er fuhr mit Elisabeth, seiner jungen englischen Ehefrau, von Heidelberg nach Prag wo er im November 1619 gekrönt wurde. Im November 1620 verlor er dann gegen Tilly (Johann t’Serclaes Graf von Tilly * Feb. 1559 ain Villers-la-Ville † 30.04.1632 in Ingolstadt), den Feldherrn der katholischen Liga, die Schlacht am Weißen Berg bei Prag und  musste durch ganz Deutschland bis in die Niederlande fliehen. Mit der böhmischen Krone hatte er auch die Pfalz verloren.

 

Auch der Markgraf Friedrich Georg von Baden-Durlach (* 30.01.1573 † 24.09.1638 in Straßburg) musste sein  Land fluchtartig verlassen. Er hatte es gewagt, sich Tilly entgegenzustellen, und wurde in der Schlacht bei Wimpfen (1622) schwer geschlagen. Die Truppen Tillys zog durch den Kraichgau und besetzten  Heidelberg. In der Folge verlagerte sich das Kriegsgeschehen nach Norddeutschland. Baden-Durlach blieb jahrelang weitgehend verschont. Alles sprach dafür, dass  der Kaiser und die katholische Liga endgültig den Sieg davontragen würden.

 

Das Blatt wendete sich, als der Schwedenkönig Gustav Adolf (* 19.12.1594 in Stockholm †16.11.1632 bei Lützen) 1630 auf die Seite der Protestanten trat. Sein Siegeszug führte ihn tief in den deutschen Süden. Auch Baden-Durlach und Württemberg begrüßten ihn als Befreier. Das Kriegsglück blieb jedoch keiner Seite treu.  Beide Parteien verloren ihre größten Feldherrn: Gustav Adolf fiel in der Schlacht bei Lützen  nahe Leipzig. Wallenstein, der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen, wurde 1634 in Eger ermordet.

 

Für die Protestanten brachte das Jahr 1634 eine Wende zum Schlechten. Die Schweden verloren die entscheidende Schlacht bei Nördlingen. Darauf hin überfluteten kaiserliche Truppen das Herzogtum Württemberg. Waiblingen, Herrenberg und Calw wurden niedergebrannt, Stuttgart besetzt.

 

Im Mai 1643 vertrieben die Bayern alle lutherischen Geistlichen und Schullehrer aus Pforzheim und Graben, bemühten sich aber vergeblich, das Volk wieder katholisch zu machen. Die Bürger pilgerten trotz aller Gefahren in die angrenzenden württembergischen Orte,  so dass man im August 1643 die ausgewiesenen Lehrer und Pfarrer zurückkommen ließ.

 

Jetzt griffen die Franzosen in den Krieg ein. Obwohl Frankreich rein katholisch war, verbündete es sich mit den deutschen Protestanten, weil der deutsche Kaiser auf keinen Fall den Krieg gewinnen sollte. So wurde auch Baden-Durlach wieder zum Kriegsschauplatz. Für das Land an Oberrhein und am Neckar begannen die schrecklichsten Jahre. Die Bevölkerung  litt entsetzlich, sowohl unter Freund als auch unter Feind. Die Heere  fielen wie Heuschreckenschwärme  über das Land her, aus dem sie sich ernähren mussten. Bei Zusmarshausen fand 1648 die letzte Schlacht statt.

 

Als im Jahre 1648 endlich Frieden geschlossen wurde, waren viele Dörfer und Städte durch Einquartierung verarmt, zum Teil zerstört oder  niedergebrannt. Durch Mord, Hunger und Seuchen, hatten viele Regionen fast zwei Drittel ihrer Bevölkerung verloren.

 

Nach Kriegsende   verließen Dominikaner und Franziskaner  Pforzheim, die Jesuiten Graben und die Benedictiner Gottesau, das  Friedrich V., Markgraf von Baden-Durlach (*6.07.1594, † 1659) säkularisiert hatte.

 

Friedrich V.  bemühte sich nach besten Kräften die Kirche neu zu beleben, ließ 1649 die Kirchenordnung in dritter verschärfter Auflage erscheinen, begann seit 1654 wieder die Kirchenvisitationen, betrieb den Wiederaufbau von Kirchen und Schulen und  versuchte trotz klammer Kasse und vielen Schulden das  Durlacher Gymnasium wieder auf zu richten. 1654 publizierte er das badische Landrecht, stets bestrebt, Ordnung und Wohlstand im Lande zu verbessern. Die protestantischen Geistlichen kehrten nach und nach zurück und weil ihre Zahl stark gesunken war,  kamen viele  Schweizer Pfarrer nach Baden, die zum lutherischen Glauben übertraten.

 

Der „Westfälische Friede“  brachte ein wichtiges Ergebnis: neben Katholiken und Lutheranern wurden jetzt  auch die Reformierten geduldet, was nicht zuletzt für die Kurpfalz von großer Bedeutung war. Dort regierte seit 1649 Karl I. Ludwig (* 22.12.1617 in Heidelberg † 28.08.1680 bei Edingen) , der überzeugter Calvinist war. Er ließ  1677 die Konkordienkirche  in Mannheim erbauen und strebte eine Vereinigung von Lutheranern und Calvinisten an. Nachdem sein Sohn und Nachfolger Karl II. (* 31.03.1651 in Heidelberg † 16.05.1685 in Heidelberg) kinderlos verstorben war, erhob der französische König Ludwig XIV (* 5. 09.1638 in Saint-Germain-en-Laye † 01.09.1715 in Versailles), der „Sonnenkönig“,   für seinen Bruder, den Herzog von Orleans und Ehemann der Schwester des verstorbenen Kurfürsten, Elisabeth Charlotte, Erbansprüche auf das Privatvermögen Karls II. sowie auf Teile der Kurpfalz.

 

Kaiser Leopold I. (* 09.06.1640 in Wien † 05.05.1705 in Wien) und  der Reichstag lehnen die französischen Forderungen kategorisch ab. Ludwig XIV. versuchte daraufhin seine Ansprüche mit Waffengewalt im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) durchzusetzen. Im Jahr 1689 und ein zweites Mal 1693 ließ er Heidelberg und  Gebiete der Kurpfalz durch seine Armee niederbrennen.

 

Am 14. Februar 1689 erklärte das Deutsche Reich, das ein Bündnis mit mit England, Savoyen, Niederlande, Spanien und Schweden gebildet hatte, Frankreich den Krieg.  Im Juli belagerten Reichstruppen die französisch besetzte Stadt Mainz. Ludwig XIV. sah sich nun einer großen Übermacht gegenüber. Es bestand die Möglichkeit, dass die Reichstruppen  rheinaufwärts marschieren und sich direkt gegen Frankreich wenden konnten. Um das zu verhindern, befahl er seinen Generälen in den besetzten Gebieten massiv Gewalt auszuüben und die gesamte Infrastruktur zu zerstören. Die beiden französischen Generäle Ezéchiel de Mélac (* um 1630 in Sainte-Radegonde †10.05.1704 in Paris) und César Auguste de Choiseul (* um 1636 † 1705) setzten diesen Befehl in die Tat um und ließen alle Städte und etwa eintausend Dörfer in der Pfalz und im Oberrheingebiet zerstören.  Anfang August 1689 wurde auch Durlach zerstört, wo viele Einwohner  die Stadt bereits zuvor verlassen hatten. Durlach wurde von den Franzosen geplündert und gebrandschatzt. Auch die Karlsburg, der Sitz der Markgrafen von Baden-Durlach, wurde stark zerstört. Daneben verbrannten nicht nur die Durlacher Kirchenbücher sondern auch die vieler anderer Orte, weil deren Bewohner diese in das vermeintlich sicherere Durlach gebracht hatten.

 

Nach langen Kämpfen endete der Krieg im Frieden von Rijswijk 1697. Frankreich verzichtetet auf die Pfalz, das Elsass mit Straßburg sowie Lothringen blieben französisch.

 

Die umfassenden Zerstörungen im Südwesten durch die Franzosen führte zu einer lang andauernden antifranzösischen Stimmung in der Bevölkerung. Die Verluste durch Kriegsschäden in Baden-Durlach wurden auf etwa neun Millionen Gulden geschätzt.  Für diese kam  niemand auf. Die Bevölkerung, durch den Dreißigjährigen Krieg  schon stark reduziert, war um ca. ein weiteres Viertel dezimiert worden. In Durlach lebten von ursprünglich 360 Bürgern nur noch 74.

 

Markgraf Friedrich VII. Magnus (* 23.09.1647 in Ueckermünde † 25.06.1709 in Durlach) von Baden-Durlach siedelte deshalb Hugenotten, Waldenser und Wallonen in der Markgrafschaft an. Da diese jedoch französisch sprachen und ihre Ansiedlung finanziell gefördert wurde, war die  Eingliederung bei der heimischen Bevölkerung anfangs schwierig. Neben den lutherischen Kirchen entstanden so auch immer mehr „reformierte“ Gemeinden.

 

Friedrich VII. Magnus war es auch, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts trotz schwieriger Haushaltslage zerstörte Kirchen wieder herstellen und neue Kirchen errichten ließ. Erst 1771 wurde in Baden-Durlach die evangelische Konfirmation flächendeckend eingeführt. Sie ist auf den französischen Reformator Martin Bucer (* 11.11.1491 in Sélestat/Elsass †01.03.1551 in Cambridge) zurück zu führen. Brucer, der schon zur Zeit der Reformation die Unterschiede  zwischen Luther und Zwingli auszugleichen suchte. Martin Luther selbst hatte die Konfirmation abgelehnt. Seiner Meinung nach bedurfte die Taufe keiner weiteren Ergänzung. Stattdessen befürwortete er eine „Einführung in den Katechismus“. Die  Entwicklung der evangelischen Konfirmation wurde letztlich durch die reformatorische Täuferbewegung, die die Taufe als persönliches Bekenntnis zum Glauben verstand (Gläubigentaufe) und die Kindertaufe als unbiblisch ablehnte, angestoßen. Martin Bucer entwickelte als Kompromiss das Modell der Konfirmation. Die Kindstaufe wurde  beibehalten, aber um eine persönliche Taufbestätigung ergänzt. Brucer formulierte seine Gedanken zur Konfirmation erstmals 1539 in der Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung und nannte nennt sechs wesentliche Punkte der Konfirmation:

 

  • Erinnerung an die Taufe
  • Prüfung über die“ fürnemsten“ Stücke der christlichen Lehre
  • Bekenntnis der Konfirmanden
  • Handauflegung
  • Fürbitte
  • Zulassung zum Abendmahl

 

1771 kam es zur Vereinigung der katholischen Markgrafschaft Baden-Baden mit der protestantischen Markgrafschaft Baden-Durlach. Markgraf von Baden-Durlach war zu dieser Zeit Karl Friedrich von Baden (* 22. 11.1728 in Karlsruhe † 10. Juni 1811 in Karlsruhe). Nach der Vereinigung stellte die Integration der neu angefallenen katholischen Gebiete für den evangelischen Landesfürsten eine der großen Herausforderungen dar.  In der seit Karl II. (1556) protestantischen Markgrafschaft Baden-Durlach stellten die Katholiken mit ca. 5% eine kleine Minderheit dar.  Nur  in der Residenzstadt Karlsruhe war die Abhaltung von Gottesdiensten gestattet und 1768 durften sie dort sogar  ein Bethaus errichten.

 

Der katholische Fürstbischof von Speyer, August von Limburg-Stirum (*16. 03.1721 †26.02.1797 in Passau) hatte zuvor versucht, die Vorverhandlungen zum Erbvertrag zu stören. Nach der Vereinigung der badischen Markgrafschaften gewann er die verwitwete Markgräfin von Baden-Baden, Maria Viktoria (Maria Viktoria Pauline von Arenberg *26.10.1714 in Brüssel †13.04.1793 in Straßburg) für den Versuch, seine eigene Macht auszudehnen und Protektor der katholischen Bevölkerung in Baden zu werden. Maria Viktoria finanzierte eine Klage, die die Stadt Baden-Baden 1777 vor dem Reichshofrat gegen Karl Friedrich einreichte. Es wurde unterstellt, dass durch die Auflösung  der Markgrafschaft Baden-Baden das Recht der katholischen Untertanen auf katholische Regierungsbehörden verletzt würde und die Gefahr einer Religionsunterdrückung bestünde.

 

Markgraf Karl Friedrich war  in der Sache der Mitwirkung der katholischen Minderheit zwar grundsätzlich kompromissbereit, wollte aber einen solchen Eingriff nicht hinnehmen. Er bestritt die Zuständigkeit des Reichshofrats  und rief den Reichstag an. Die Reichsstände bereiteten einen Beschluss zur Unterstützung des Markgrafen vor.  Die Garantiemächte des Erbvertrages,  Preußen,  England, Schweden und Dänemark  intervenierten ebenfalls zu seinen Gunsten. Damit erreichte der Konflikt europäische Dimensionen.

 

Der Reichshofrat hielt sich nun zurück und die Angelegenheit wurde durch Beschluss vom 7. April 1789  beendet. 1790 einigte sich Karl Friedrich auch mit dem Fürstbischof von Speyer über die Rechte der Diözese; das Verhältnis der Katholiken zum Markgrafen verbesserte sich darauf hin deutlich.

 

Generell gab es unter Karl Friedrich keine Benachteiligung der Katholiken, er übernahm jedoch nur zwei Hofräte und zwei Hofkammerräte des Rastatter Hofes. Zum Ende seiner Regierungszeit hatte sich seine tolerante Grundhaltung auf die Bürger übertragen und Drais (* 29. 04.1785 in Karlsruhe † 10.12.1851 in Karlsruhe), dessen Pate Karl Friedrich war, berichtete: “Viele  Amtmänner und Seelsorger beider Bekenntnisse, wirkten mit Vernunft auf ihre Untergebenen, so, dass der blinde Eifer einzelner Zelotten in leeren Dunst verging.“

 

Markgraf Karl Friedrich war jetzt gleichzeitig oberster Kirchenrat der evangelisch-lutherischen, der reformierten und der katholischen Kirche. Seine lutherische Landeskirche führte er aus der Orthodoxie einer „wahren, christlichen“ Aufklärung entgegen. Er zeigte sich offen für die Schulphilosophie  von Gottfried Wilhelm Leibniz (*01.07.1646 in Leipzig †14.11.1716 in Hannover)    und  Christian Freiherr von Wolff (*24.01.1679 in Breslau †09.04.1754 in Halle). Auch die Dogmenkritik des Johann Salomo Semler (* 18.12.1725 in Saalfeld † 14.03.1791 in Halle) war bei ihm auf offene Ohren gestoßen.

 

Bereits 1730 hatte es Bestrebungen gegeben, die lutherische und die reformierte Kirche zu vereinen. Das hatten die lutherischen Pfarrer aber damals noch abgelehnt. Es gab einzelne Reformen, die die beiden Kirchen näher brachten, z.B. ein gemeinsames Gesangbuch 1786.

 

Johann Nicolaus Friedrich Brauer (* 20.02.1754 in Büdingen † 17.11.1813 in Karlsruhe), Kirchenratsdirektor und einer der wichtigsten Politiker seiner Zeit, band in der Kirchenratsinstruktion 1797 zwar Gottesdienst und Unterricht an die biblische Erlösungslehre, gab aber den Pfarrern ihre eigene Meinungsäußerung in Wort und Schrift frei.

 

Am 25. Februar 1803 fand die letzte Sitzung des Immerwährenden Reichstags in Regensburg statt. Im Reichsdeputationshauptschluss (Abschlussbericht) wurde festgesetzt, dass diejenigen weltlichen Fürsten eine Abfindung erhalten sollten, die während  der Revolutionskriege (Koalitionskriege)  Besitz verloren hatten. Dies sollte durch Säkularisation kirchlicher Herrschaften geschehen.  Dazu wurden alle geistlichen Fürstentümer (mit Ausnahme von Mainz)  aufgelöst.  Auch andere Besitztümer der Kirche, z.B.  Klöster und die bisherigen fürstbischöflichen Residenzen, wurden enteignet und fielen an die weltliche Landesherren. Im März 1803 nahm der Reichstag den Reichsdeputationshauptbeschluss einstimmig an. Die meisten geistlichen Fürsten hatten aber bereits Ende 1802 auf ihre weltlichen Herrschaftsrechte und damit auf Sitz und Stimme im Reichstag verzichtet.  Alle Liegenschaften und Vermögenswerte der Kirchen wurden der Landesregierung  unterstellt. Diese hatte nun den Aufwand für Gottesdienst, Unterricht und gemeinnützige Anstalten zu finanzieren.  Der Landesherr war nach wie vor zugleich oberster Kirchenherr. 

 

Ein Profiteur dieses Beschlusses war Baden, das seit 1803 Kurfürstentum war. An Baden fielen die rechtsrheinischen Gebiete der 1803 aufgelösten Kurpfalz.

 

Nun strebte Kirchenratsdirektor Brauer endgültig eine  vereinte  evangelische Kirche an und setzte 1807 eine Verwaltungsunion mit Sitz in Karlsruhe durch. Noch wiedersetzten sich die „Reformierten“ im mittlerweile  1806 zum Großherzogtum aufgestiegenen Baden.

 

 1817 sprachen sich dann beide Konfessionen für eine Vereinigung aus. Die entscheidende Generalsynode aus 44 Abgeordneten im Juni 1821 wurde paritätisch gebildet, obwohl die Reformierten in der Minderheit waren. 1820 gab es in Baden 704.000 Katholiken, 261.000 Lutherische und 67.000 Reformierte. Erster Prälat und Kirchenrat wurde Johann Peter Hebel  (*10.05.1760 in Basel † 22.09.1826 in Schwetzingen).

 

Gliederung der evangelischen Landeskirche nach der Vereinigung (Stand: Septemer 1824)

 

 

Literaturverzeichnis

 

Die Reformation 1495 - 1555 : Politik mit Theologie und Religion / Helga Schnabel-Schüle. - Stuttgart : Reclam, 2006. - 313 Seiten

 

Geschichte der Reformation / Thomas Kaufmann. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main ; Leipzig : Verl. der Weltreligionen, 2009. - 954 Seiten

 

Reformation und Mönchtum : Aspekte eines Verhältnisses über Luther hinaus / hrsg. von Athina Lexutt - Tübingen : Mohr Siebeck, 2008., 276 Seiten

 

Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon Band  25 (BLB Karlsruhe)

 

Zwinglis Reformation der Freiheit / Berndt Hamm. - Neukirchen-Vluyn : Neuk. Verl., 1988, 154 Seiten

 

Die Reformatoren : Luther, Melanchthon, Zwingli, Calvin ; mit einem Nachwort zur Reformationsgeschichte / Kurt Aland.  4. neubearbeitete. Auflage. - Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1986. - 159 Seiten

 

Martin Bucer und Johannes Calvin : reformatorische Perspektiven ; Einleitung und Texte / Marijn de Kroon. - Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1991. - 285 Seiten

 

Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden / Armin Kohnle. - 1. Aufl. - Karlsruhe : Braun, 2007. - 206 Seiten

 

Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede : kirchengeschichtliche Studien zur lutherischen Konfessionskultur / Thomas Kaufmann. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1998., 196 Seiten

 

Krieg und Defension am Oberrhein : die vorderen Reichskreise und Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1693 - 1706) / von Max Plassmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000. - 706 Seiten

 

Die Anfänge des Christentums und der Kirche in Baden / von Joseph Sauer. - Heidelberg : Winter, 1911. - 130 Seiten